Der Vorsitzende des SV Dänischen Taubenrassen hat mich gebeten, meine Erfahrungen bei dem Erzüchten neuer Farbenschläge der Stieglitze, mit den Mitgliedern zu teilen. Das mache ich natürlich gerne. Es macht mir auch nichts aus, meine Geheimnisse preis zu geben, im Gegenteil: ich hoffe, dass es ein Ansporn zum Experimentieren ist und dabei unsere Stieglitze mit neuen Farbschlägen zu bereichern. Oft hört man, dass es schon genug Farbschläge gibt und dass man lieber die bestehenden Farben verbessern sollte. Ich möchte dazu folgendes sagen:
Erstens ist es ein Hobby. Es freut mich, neue Farben kreieren zu können. Zweitens werden auf diese Weise neue Gene in die Rasse eingebracht und das ist hier ein Plus, denn die Rasse wird nur von wenigen Liebhabern gezüchtet.
Schon seit den siebziger Jahren züchte ich Stieglitze. Begonnen habe ich meine Zucht mit Silberstieglitzen. Auf der Europaschau in Amsterdam sah ich zum ersten Mal blaue, rote und gelbe Tiere, ausgestellt von dänischen Züchtern. Ich war sofort vernarrt in die Blauen, und es dauerte nicht lang, eh einige Paare in meinem Taubenschlag saßen. Ganz ehrlich, ich war auch vernarrt in die Roten und Gelben, aber sie waren damals schwierig zu bekommen. (Eine Fahrt nach Dänemark um ein Paar Tauben zu kaufen, fand ich damals doch zu verrückt.)
Als ich anfangs der achtziger Jahre mit einem Freund die Nationale Austellung in Dortmund besuchte, waren dort auch Kölner Tümmler ausgestellt. Ich fand die Rot- und Gelbfahlen schön und, weil sie (nicht wie andere rot- und gelbfahle Tauben) dunkel gefärbte Schlagfedern hatten, sah ich darin die Möglichkeit, um Stieglitze in diesen Farben zu erzüchten. Normalerweise haben rot- und gelbfahle Tauben zu helle Schlagfedern, um Fahnen- und Perlenzeichnung deutlich genug zu zeigen.
Hier kommt nun unser früherer Zuchtwart in die Geschichte. Hans Röcken hatte mir früher schon einmal geholfen Stieglitze zu finden. Jetzt bat ich ihn, mir Kölner Tümmler zu besorgen in diesen zwei Farben. Ein Paar gelbfahle Tauben konnte er mir besorgen. Diese Tauben habe ich dann mit blauen Stieglitzen verpaart. Die erste Generation der Jungen war quasi uniform, was man auch erwarten konnte von einer F1-Generation bei zwei gut durch gezüchteten Rassen. Alle hatten eine gelbfahle Farbe, weil diese Farbe über Blaue dominiert. Die Farbe der Augen war schon etwas Orange. Die Tatsache, dass die Kölner Tümmler Perlenaugen haben, war kein Problem, weil die orange Augenfarbe darüber dominiert. Die einzel faktorige Anwesenheit des Faktors Toy-Stencils sorgte für ein gelb-rostfarbiges Schild. Die stärksten und besten vom Typ wurden aufs Neue mit blauen Stieglitzen verpaart, um die typische Stieglitzzeichnung zu bekommen. Weil die Täuber auch blau vererbten, wurden in der F2-Generation auch blaue Junge geboren. Diese wurden aber nicht behalten (auch nicht zur Zucht der Blauen), weil sie auf der Brust eine gelbe (ockerfarbige) Vorfarbe hatten. So habe ich noch ein Paar Jahre weiter gezüchtet und langsam kamen sowohl die Fahnen- und Perlenzeichnung als die typische Stieglitzzeichnung zum Vorschein. Dadurch, dass ich immer Blaue mit Gelbfahlen verpaarte, wurde die Farbe des Schnabels leider zu dunkel und die Grundfarbe zu bläulich. Das habe ich korrigieren können, indem ich die Gelbfahlen miteinander verpaarte. Nach einigen weiteren Jahren waren sie auch in diesem heiklen Punkt akzeptabel. Dann hatte ich aber mit einem anderen Problem zu kämpfen: die Qualität der Federn war stark vermindert. Ich habe dann Dreiviertel meiner Gelbfahlen aussortiert und habe sehr stark auf die Federqualität selektiert. Nach einigen weiteren Jahren hatte ich auch dieses Problem gelöst. Zwischenzeitlich waren 12 Jahren vergangen.
Ich versuchte damals, eine andere Blutlinie aufzubauen: ich verpaarte einen silbernen Täuber mit einer gelbfahlen Täubin. Zu meinem großen Erstaunen bekam ich ein Jungtier, das weder gelbfahl, noch silbern war. Es fiel ein schöner rotfahler Täuber, der Stammvater all meiner Rotfahlen wurde. Ich verpaarte ihn mit gelbfahlen Täubinnen und bekam beide Farben in den Jungtieren, mit dem zusätzlichen Vorteil, dass die Jungen durch die Einbringung neuen Blutes kräftiger wurden.
Inzwischen hatte der Europäische Verband für Geflügel- und Kaninchenzucht seine Vorschriften dahingehend geändert, dass ein neuer Farbenschlag innerhalb einer Rasse nur im Herkunftsland der Rasse anerkannt werden kann. Woops!
Das hieß normalerweise: dreimalige Vorstellung auf einer Schau in Dänemark! Durch die Vermittlung von Hans Röcken konnte eine Lösung gefunden werden, die für mich finanziell günstiger war. Auf der Versammlung des dänischen Stieglitzkreises 2002 lud er die Mitglieder zu dem jährlichen Stieglitztag nach Herscheid/Deutschland ein. Gleichzeitig wurde mit dem DRF vereinbart, dass eine Standardauswahl „Stieglitze“ die neuen Farbschläge auf der angeschlossenen Schau, zwecks Anerkennung, bewerten würde. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, schade war nur, dass niemand vom SV teilnahm. Auf der Dänischen Nationalen im Januar 2004 wurden die beiden Farbschläge zum zweiten mal zur Anerkennung vorgestellt. Bis hierher die Geschichte der Rot- und Gelbfahlen.
Vor ungefähr sieben Jahren, kaufte ich auf einer Austellung eine schöne braunfahle Modena. Ermutigt vom Erfolg meines vorigen Experimentes, habe ich dann versucht einen weiteren neuen Farbenschlag der Stieglitze zu erzüchten, die Braunfahlen. Ich folgte demselben Weg. Die braunfahle Modena wurde mit einer blauen Stieglitztäubin verpaart. Die F1-Generation brachte blaue Täuber und braunfahle Täubinnen. Ich konnte aber beide F1-Farben weiter verpaaren, weil braunfahl rezessiv wirkt in Hinsicht auf Blau. Blaue F1-Täuber gaben also braunfahle Täubinnen. So züchtete ich ein paar Jahre weiter. Auch khakifarbige Jungen wurden geboren; offensichtlich musste der Modenatäuber diese Erbanlagen besessen haben. Es ging aber viel besser als mit den Rot- und Gelbfahlen, sodass ich nach ungefähr 5 Jahren schon akzeptable braunfahle Stieglitze hatte. Dass sie von ganz verschiedenen Typen stammten, war gar nicht mehr zu erkennen. Die Fahnen- und Perlenzeichnung kontrastiert besser als bei den Rot- und Gelbfahlen und wird auf längere Sicht genau so gut sein wie bei den Blauen. Es sind auch sehr zutrauliche Tiere; das ist eine Eigenschaft die sie von ihren Modena-Vorfahren geerbt haben.
Im Herbst des Jahres 2002 konnte ich diesen Farbschlag erstmals in Herscheid präsentieren.
Auf der Dänischen Nationalen im Januar 2004 wurde der Farbschlag „Braunfahl“ dann zum ersten Mal zur Anerkennung vorgestellt.
Jetzt habe ich wieder damit angefangen, eine neue Farbe zu kreieren. Diesmal werde ich, mit Hilfe einer digitalen Kamera, jeden Schritt der Kreation mit einem Foto illustrieren können. Damit werde ich auch zeigen können, dass man mit einer Rasse, die auf dem ersten Blick ungeeignet scheint, durch Kenntnisse der Genetik (und mit genug Geduld) eine neue Farbe innerhalb einer Rasse herauszüchten kann.
Andre' Vandenabeele